Deutsche Unternehmensinsolvenzen erreichen inmitten des Abschwungs einen Zehnjahreshöchststand

Ein erwartbarer Anstieg

Beide Ökonomen halten den Anstieg der Insolvenzen grundsätzlich für vorhersehbar. „Ein Anstieg war zu erwarten“, sagte Müller, auch wenn das Ausmaß etwas überrascht habe. Röhl verwies auf die seit fast drei Jahren anhaltende wirtschaftliche Stagnation. Angesichts dieser Entwicklung hätten die Insolvenzzahlen sogar noch höher ausfallen können.

Röhl sieht die Ursachen vor allem in makroökonomischen Faktoren: stagnierende Wirtschaftsleistung, hohe Energiepreise, der Krieg Russlands gegen die Ukraine sowie der Übergang zur Klimaneutralität hätten die Unternehmen zusätzlich belastet. Wie stark verspätete politische Reformen oder unternehmerische Anpassungsfehler dazu beigetragen hätten, sei jedoch schwer zu quantifizieren.

Müller warnt davor, Insolvenzursachen auf einzelne Faktoren zu reduzieren. Gründe seien häufig individuell – etwa Fehlentscheidungen bei Produkten, Managementkonflikte oder Streitigkeiten mit wichtigen Geschäftspartnern. Treffen solche Schwächen auf steigende Kosten, Strukturwandel, geopolitische Unsicherheiten oder neue Zölle, „tritt die Insolvenz schneller ein“. Dass grundsätzlich gesunde und wettbewerbsfähige Unternehmen allein wegen externer Verschlechterungen scheiterten, sei weiterhin eher selten.

Vorsichtiger Optimismus

Der Verband der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) äußerte sich zuletzt vorsichtig optimistisch. Nach den pandemiebedingten Nachholeffekten normalisiere sich die Entwicklung allmählich, sagte VID-Vorsitzender Christoph Niering der Deutschen Presse-Agentur. Dies sei zwar noch keine Trendwende, „aber es gibt Licht am Ende des Tunnels“.

Müller rechnet dennoch damit, dass die Insolvenzzahlen 2026 auf einem ähnlich hohen Niveau bleiben. Deutschland habe eine „rote Zone“ erreicht, in der sich die Lage zwar kaum weiter verschlechtern dürfte, aber auch keine schnelle Entspannung zu erwarten sei.

Röhl hält hingegen eine Abschwächung für möglich, sollte die deutsche Wirtschaft im kommenden Jahr – wie von mehreren Instituten prognostiziert – um etwa ein Prozent wachsen. Dennoch warnt er: „Strukturelle Herausforderungen bleiben bestehen, denn US-Zölle, der Wettbewerbsdruck aus China und hohe Energiekosten werden nicht verschwinden.“